Der Druck der Straße
Klimaaktivismus in Deutschland
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“ Die Klimakrise treibt derzeit viele junge Leute in Deutschland auf die Straße. Mit ihrem Protest machen sie Druck, damit die Politik mehr gegen den Klimawandel unternimmt. Und zwar schnell.
Die Hintergründe
Selbst UN-Generalsekretär António Guterres mahnt, dass wir so nicht weitermachen können. Denn die Folgen sind dramatisch. Es wird immer wärmer. Der Sommer in Deutschland war 2022 so heiß wie nie, das Thermometer kletterte hier zum ersten Mal auf über 40 Grad Celsius. In Kanada wurden sogar fast 50 Grad in einem Ort gemessen. Darunter leiden Menschen, Tiere und Natur.
Doch noch immer gibt es Menschen, die beschwichtigen, dass alles nicht so schlimm sei. Dabei belegen wissenschaftliche Studien genau das Gegenteil. Und der Weltklimarat mahnt in seinem Synthesebericht, der im März 2023 vorgelegt wurde, dass der Klimawandel schneller voranschreitet und die Folgen verheerender seien als bisher gedacht.
„Die Klimakrise ist hier, und sie ist unübersehbar"
Luisa Neubauer
Sie zeigen sich überall auf der Welt. , mahnte Luisa Neubauer, nachdem im Juli 2021 das Tal an der Ahr überflutet worden war. Luisa Neubauer ist das Gesicht und die Sprecherin von „Fridays for Future“ in Deutschland. Das Ziel der Bewegung: Ausstieg aus der Kohle bis 2030, die Erderwärmung begrenzen und das 1,5-Grad-Ziel einhalten.
Jede und jeder kann mitmachen
Über 600 Ortsgruppen gibt es mittlerweile in Deutschland. Außerdem haben sich die „Students for Future“ und die „Scientists for Future“ an den Unis und Hochschulen und die „Parents for Future“ gebildet. Mit engagierten Leuten auf die Folgen der Klimakrise aufmerksam machen und dagegen etwas tun, treibt viele Studierende an.
„Kinder und Jugendliche haben uns wachgerüttelt“
Klimaaktivist Moritz
Einer von vielen
So auch Moritz. 2019 ging er zum ersten Mal auf eine Demo von „Fridays for Future“. „Endlich konnte ich mit Gleichgesinnten meine Wut und meine Unzufriedenheit über die bewusste Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und die Ignoranz gegenüber Menschenrechten äußern“, erzählt er. Getragen wurden die Proteste damals von Schülerinnen und Schülern. Später schlossen sich auch Studentinnen und Studenten an. „Kinder und Jugendliche haben uns alle wachgerüttelt, und ich schämte mich, dass meine Generation so unpolitisch gewesen ist.
Heute ist die Klimabewegung in allen Teilen der Gesellschaft vertreten. Und auch wir als Studierende sind politisiert worden“, sagt Moritz.
Sich für Nachhaltigkeit und Mitbestimmung einsetzen
Moritz studiert an der Uni Köln und ist Aktivist bei den „Students for Future“. Er organisiert die „Public Climate School“ und die Fahrrad-Demo „Ohne Kerosin nach Berlin“.
Es ist ziemlich anstrengend, hunderte Kilometer mit dem Rad in die Hauptstadt zu fahren, aber es schafft Aufmerksamkeit, bietet die Möglichkeit, unterwegs mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sie zu ermutigen, mitzumachen. Als Klimaaktivist ist Moritz ziemlich viel unterwegs. „Doch das ist keine Belastung. Im Gegenteil: Es gibt Kraft und ist ermutigend, sich mit anderen motivierten Menschen für Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Mitbestimmung einzusetzen. Über diese Form des Engagements habe ich sehr viel dazugelernt.“
Für Moritz ist klar: „Wir freuen uns besonders über Menschen aus anderen Ländern, denn das bringt neue Impulse und Perspektiven mit sich. Die Klimakrise ist global und genauso müssen unsere Antworten aussehen“
„Wir freuen uns besonders über Menschen aus anderen Ländern, denn das bringt neue Impulse und Perspektiven mit sich“
Moritz
Die Macht der Menschen
Seit vier Monaten ist Natuka aus Georgien dabei und unterstützt die Gruppe in Hamburg. „Weil ich denke, dass die Universität als wichtige Bildungseinrichtung in der Gesellschaft viel verändern und die Menschen dazu motivieren kann, so schnell wie möglich zu handeln.“ Sie ist allerdings eine der wenigen internationalen Studierenden, die sich bei „Students for Future“ in Hamburg engagieren.
„Ich hoffe aber, dass sich mehr anschließen, wenn sie erkennen, dass die sozialen Probleme, mit denen sie täglich konfrontiert sind, immer stärker vom Klimawandel beeinflusst sind und die Lösung des Klimaproblems zugleich die sozialen Probleme lösen wird“, sagt die 20-Jährige.
In ihrer Heimat Georgien sind die Menschen vor gut 30 Jahren für ihre Unabhängigkeit und ihre Freiheit auf die Straße gegangen. „Hier vergessen wir manchmal, welche Macht die Menschen haben. Doch unsere gesamte Geschichte basiert auf Demonstrationen und dem Kampf für die eigene Freiheit und die eigenen Rechte, für eine bessere Regierung und besseres Handeln“, sagt Natuka. Sie möchte ihre Mitstudierenden, aber auch alle anderen motivieren, die Klimabewegung zu unterstützen.
Die Anfänge der Klimabewegung
Begonnen hat alles mit der Schwedin Greta Thunberg. Sie protestierte vor dem schwedischen Parlament und hielt ihr Plakat „Skolstrejk för klimatet“ (Schulstreik fürs Klima) in die Luft. Ihre Forderung war, das Pariser Klimaschutz-Abkommen einzuhalten und die CO2-Emissionen zu verringern.
Auf der ganzen Welt folgten Millionen Schülerinnen und Schüler ihrem Beispiel und gingen freitags auf die Straße statt zur Schule. So entstand die internationale Bewegung „Fridays For Future“.
Anfang 2019 organisierte Luise Neubauer in Deutschland die ersten Demos. Zunächst nahmen nur ein paar Schülerinnen und Schüler teil. Doch schon nach einigen Monaten gingen bundesweit über 1,3 Millionen auf der Straße.
Neuer Schwung durch die Räumung in Lützerath
Durch die Corona-Pandemie wurde es jedoch leiser um die Bewegung. Anfang 2023 hat „Fridays for Future“ neuen Schwung bekommen. In Lützerath, einem kleinen Dorf im Rheinland (kurz „Lützi“ genannt), kam es zu Protesten. Das Dorf muss weichen, weil sich darunter große Braunkohlevorkommen befinden. Die Kohle soll gefördert werden, um Strom zu erzeugen und die Energieversorgung zu sichern. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohner wurden bereits 2005 umgesiedelt, alle Klagen gegen den Abriss wurden von Gerichten abgewiesen. Doch Kimaaktivistinnen und -aktivisten besetzten das Dorf. Ihre Forderung: Das Dorf sollte bleiben und die darunter liegende Braunkohle nicht aus dem Boden gefördert werden.
Der Protest richtete sich vor allem gegen ein Abkommen, das die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem Energiekonzern abgeschlossen hatten. Der Kohleausstieg wird auf 2030 vorgezogen, 280 Millionen Tonnen Braunkohle sollen nicht mehr gefördert und fünf andere Dörfer nicht mehr abgebaggert werden. „Fridays for Future“ hält dagegen: Die Kohle wird gar nicht mehr für die Stromerzeugung gebraucht. Und 100 % erneuerbare Energien bis 2030 sind die einzige Lösung, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Im Januar 2023 begann die Räumung des Dorfes durch die Polizei. Tausende demonstrierten dagegen, nicht immer verliefen die Proteste friedlich. Unter dem Hashtag #Lützibleibt zeigten sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten solidarisch mit den Protestierenden im Rheinland.
#Lützibleibt
Und wie geht es weiter?
Die Aktivistinnen und Aktivisten von „Fridays for Future“ machen weiter, basteln Schilder und Plakate, organisieren Events und beteiligen sich an Demonstrationen. Ihre Ziele formulieren sie klar und deutlich. Manche schmeißen hin, weil sie das Gefühl haben, dass sich nichts ändert. Doch viele bleiben am Ball und ständig kommen neue Unterstützerinnen und Unterstützer dazu.
Sie wollen die Menschen überzeugen, dass die Klimakrise die größte Bedrohung für die Menschheit ist. „Fridays for Future“ hat die Öffentlichkeit aufgeweckt und die Debatten verändert.