Poetry Slams in Deutschland
In Deutschland sind Poetry Slams, also Dichtkunstwettbewerbe, schon lange populär – und zwar so sehr, dass sie in das Bundesweite Verzeichnis Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden.
Poetry Slams in Deutschland
Wer eine neue Sprache lernt, sucht oft nach den richtigen Worten. Beim Poetry Slam könntest du sie finden. Entstanden sind Poetry Slams in den USA – doch schon lange sind sie auch aus deutschen Veranstaltungskalendern nicht mehr wegzudenken.
Tief durchatmen, noch ein letzter Blick auf den Zettel und los: Es braucht Mut, sich auf eine Poetry-Slam-Bühne zu stellen und seine eigenen Texte vorzutragen. Das Publikum ist schließlich gespannt auf die Werke der Slammerinnen und Slammer, die mit ihren Texten gegeneinander antreten und beim Lesen nicht selten ihre innersten Gefühle offenbaren.
Im Gegensatz zu einer klassischen Literaturlesung, bei der meist eine Autorin oder ein Autor mehrere Passagen aus einem eigenen Buch vorliest, ist ein Poetry Slam wirklich ein Wettstreit. Die Vorträge sind deutlich kürzer – zu den Regeln kommen wir gleich –, dafür haben Besucherinnen und Besucher die Chance, mehreren Talenten zuzuhören.
Fanden Poetry Slams früher vor allem in Kneipen, Bars und kleinen Theatern statt, gibt es sie mittlerweile fast überall: Viele Hochschulen und Universitäten bieten sie als Veranstaltung ihrer Sprach-Fachschaften an. Häufig sind Poetry Slams auch Teil von Open-Air-Festivals, es gibt sie in Kinos, bei Stadtfesten und an vielen anderen Orten.
Meistens tragen verschiedene Slammerinnen und Slammer ihre Texte vor und werden von einer Jury und/oder dem Publikum bewertet. Wer zum Beispiel den kräftigsten Applaus bekommt, kann in die nächste Runde kommen – bis im Finale eine Gewinnerin oder ein Gewinner feststeht. Neben kleinen Wettbewerben gibt es mittlerweile auch große Meisterschaften, bei denen der oder die beste deutschsprachige Slammerin oder Slammer ermittelt wird.
Man findet sich selbst in den Erfahrungen der anderen wieder, auch wenn man ganz unterschiedliche Leben führt.
Beim Poetry Slam treten die Poetinnen und Poeten zwar gegeneinander an, sie ziehen aber nicht, wie zum Beispiel bei einem Rap-Battle, übereinander her. In ihren Texten geben viele Einblick in ihr Privatleben und beschäftigen sich mit Themen aus dem Alltag. Das ist ein Aspekt, den auch Studentin Roberta aus Italien so an den Veranstaltungen schätzt: „Poetry Slams bieten eine sehr angenehme Umgebung. Die Poetinnen und Poeten wissen, dass sie dort wertgeschätzt werden.“ Schon in Italien hat sie Poetry Slams besucht, in Deutschland hofft sie, ähnlich schöne Erfahrungen zu machen: „Man findet sich selbst in den Erfahrungen der anderen wieder, auch wenn man ganz unterschiedliche Leben führt.“
Manche Poetinnen und Poeten schreiben nicht nur über Persönliches, sondern kommentieren aktuelle gesellschaftliche Ereignisse, und sehr häufig bringen sie ihr Publikum dabei zum Lachen. Es gibt einige recht erfolgreiche Comedians, die ihre ersten öffentlichen Witze auf Poetry-Slam-Bühnen gemacht haben.
Da Poetry Slams meist Wettbewerbe sind und fair ablaufen sollen, gibt es ein paar Spielregeln. Die erste gilt vor allem für das Publikum.
Es erfordert wie gesagt Mut, sich auf die Bühne zu stellen und einen selbst geschriebenen Text vorzutragen. Deshalb gibt es für jede Slammerin und jeden Slammer Applaus, wenn sie oder er die Bühne betritt und auch, wenn sie oder er fertig ist. Auch, wenn dir ein Text nicht gefallen hat, solltest du also applaudieren, und sei es „nur“ dafür, dass sich die Person auf die Bühne getraut hat. Für die Menschen auf der Bühne gilt außerdem: Diskriminierende Texte sind verboten.
Ehrensache: Poetry-Slammerinnen und -Slammer tragen auf der Bühne ausschließlich ihre eigenen Werke vor. Erlaubt ist allerdings, eine Zeile aus einem anderen Text zu zitieren, vielleicht aus einem Song, Gedicht oder Film.
Ein Poetry Slam ist kein Theaterstück, Kostüme und Requisiten sind also verboten. Slammerinnen und Slammer dürfen nur ihren Text mit auf die Bühne bringen und sollten ganz normale Kleidung tragen.
Ein Poetry Slam ist außerdem kein Konzert: Es geht um das gesprochene Wort und nicht um Songs. Deshalb: Lesen oder frei vortragen ja, singen nein.
Wie streng das Zeitlimit ist, hängt von der jeweiligen Veranstaltung ab. Richtwert für einen Slam-Auftritt jedoch sind sechs Minuten. Falls du dich also entscheidest, auf die Bühne zu gehen, solltest du vorab überprüfen, ob dein Text in diese sechs Minuten passt oder ob du ihn noch kürzen musst.
Es gibt Ausnahmen von diesen Regeln: Bei Song Slams zum Beispiel soll musiziert und gesungen werden, manchmal gibt es eine Band, die den Slam begleitet oder die Veranstaltung sieht explizit vor, dass die Poetinnen und Poeten kostümiert auftreten und Requisiten verwenden.
Viele bekannte deutsche und deutschsprachige Persönlichkeiten haben ihre ersten öffentlichen Auftritte auf Lesebühnen absolviert. Schauspielerin und Autorin Sophie Passmann war zunächst Poetry-Slammerin, ebenso wie die Comedian Hazel Brugger aus der Schweiz und Thomas Spitzer. Ninia Binias aus Hannover hat ebenfalls auf der Poetry-Slam-Bühne angefangen, wobei sie heute vor allem als Moderatorin, Autorin und Podcasterin von sich reden macht.
Damals noch Studentin, trug die heutige Musikerin Julia Engelmann 2014 beim „Hörsaal-Slam“ in Bielefeld ihren Text „“ vor. Sie zitierte darin einen Song mit gleichem Namen von und sprach darüber, ständig alles aufzuschieben, statt das Leben zu leben und einfach zu machen. Das dazugehörige Video ging viral. Eine andere erfolgreiche Slammerin ist aus Bochum, die nicht nur selbst auf der Bühne steht, sondern auch viele Slams veranstaltet, teils begleitet von Jazz-Musik. In Berlin hat sich vor einigen Jahren auch Jacinta Nandi einen Namen gemacht. Gebürtig aus England mit indischen Wurzeln, hat sie viele humorvolle Texte über das Leben in Deutschland, Mutterschaft und ihren Alltag in Berlin geschrieben und oft in einer lustigen Mischung aus Deutsch und Englisch vorgetragen. 2022 ist ihr aktuelles Buch erschienen.
Poetry Slams sind zunächst offen, außer, es handelt sich um die offiziellen Meisterschaften, für die man sich qualifizieren muss. Wenn du dich selbst auf die Bühne trauen möchtest, frag bei Veranstaltenden von Poetry Slams nach, wie die Anmeldung abläuft. Roberta könnte sich durchaus vorstellen, mal einen ihrer Texte vorzutragen: „Ich hätte auf jeden Fall ein bisschen Angst – wer fürchtet sich nicht davor, bewertet zu werden? Aber vielleicht ist das genau der Grund, wieso ich es tun sollte.“
Dein Deutsch muss nicht perfekt sein! Vielleicht verleiht es deinen Texten sogar besonderen Charme, wenn es das nicht ist. Schau dir die Slams erst einmal als Zuschauerin oder Zuschauer an, lass dich inspirieren und dann irgendwann: Trau dich!
Man braucht Angst, um mutig sein zu können. Den Mutigen gehört die Welt.
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